
Was für ein Wochenende … Nach langer Planung konnten wir vom Fr. 27.06. bis So. 29.6.2025 erfolgreich unser “Lebendiges Museum zu Frauen in den Naturwissenschaften” im Pop-up Pavillon am Alten Markt Kiel durchführen. Insgesamt hatten wir 110 Gäste – wie erhofft aus verschiedenen Altersgruppen (von Kindern bis Senior*innen).
Das (klassische) Museums-Setting entstand im Kern aus 16 Postern und Plakaten, über die wir die thematischen Informationen zu Frauen, zur allgemeinen Situation, aber auch zu autobiographischen Sichtweisen bereit stellten. Abgerundet wurde das Setting mit einigen Exponaten zum Anfassen, wie Mikroskopen und Flaschen zur Veranschaulichung sog. interner Wellen.
Die meisten Gäste kamen sehr gezielt und haben sich viel Zeit genommen, die Plakate wirklich zu lesen, Fragen zu stellen, am Programm teilzunehmen, und mit uns in den Austausch zu gehen. Dabei konnten die Wissenschaftlerinnen gut sichtbar gemacht und ins Gedächtnis gebracht werden. Kinder bzw. Familien nutzen vor allem am Sonntag die Kreativangebote. Vermisst haben wir nur die Schulklassen, die mit Exklusivterminen zur Unterrichtszeit am Freitag Vormittag eingeladen waren, das Museum als außerschulischen Lernort zu besuchen.
“Lebendig” wurde das Museum durch zahlreiche Anreize zum mündlichen wie schriftlichen Austausch, Feedback, und insbesondere auch zwei lange Austauschrunden (am Fr.27.06. mit den „Frauen der Informatik“ von der Uni Kiel und am Sa.28.06. angeregt von den Fragen eines Studenten zur Wissenschaftlerin Amalie Dietrich), sowie durch einen Workshop, durch vier Theaterszenen, und durch diverse Kreativwerkstätten, in denen die Fachinformationen u.a. auch durch sinnliche Eindrücke ergänzt und non-verbal neu ausgedrückt werden konnten.
Ein besonderer Dank geht an die “Frauen in der Informatik”, die Freitag Nachmittag (27.06.) bei uns im Museum Rede und Antwort standen. Es ist uns vom Netzwerk NatuS einfach wichtig, bei so einer Veranstaltung die Gelegenheit zu geben, auch MIT echten Akademikerinnen der Gegenwart ins Gespräch zu kommen und NICHT nur ÜBER Frauen in der Wissenschaft zu reden. Deshalb freut es uns sehr, dass sich diese Abteilung angesprochen gefühlt hat und die Begeisterung von Mädchen und Frauen nicht nur für wichtig, sondern auch für ein lohnenswertes Zeitinvestment hält. So war es auch ein Ergebnis dieses Austausches, dass wir gern weiter kooperieren möchten. (Interessierte Mädchen* und Frauen* finden auf der Website der Uni Kiel tolle Angebote.
Nicht nur wir vom Netzwerk NatuS können feststellen, dass die Begeisterung für die Naturwissenschaft bereits in bzw. vor der Grundschule beginnt und im Alter zwischen 12-14 Jahren durchaus Förderung braucht, um “die Pubertät zu überleben” und um danach diese jungen Menschen wirklich an die Universität zu bringen. Das gilt zwar nicht für alle Kinder, Jugendlichen, und jungen Erwachsenen aber überproportional für Mädchen und Frauen, die es im Gesellschaftsbild ihrer Zukunftsplanung einfach brauchen, daran GLAUBEN zu können, dass sie z.B. mathematische Grundlagen erfolgreich meistern können, um später fähige Informatikerinnen zu sein. Da kann und sollte eine interessengeleitete Pädagogik an- und einsetzen, lange bevor die Begabtenförderung oder die Uni-Angebote für die Oberstufen beginnen. Und da sehen wir uns als NaturSpielpädagoginnen, die Naturwissenschaften über Spiel- und Theaterpädagogik zu vermitteln gelernt haben, durchaus in der Position, eine Lücke zu schließen.
Für den regen Austausch gab es das ganze Wochenende aber auch unzählige Gespräche zur historischen und gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation von Frauen, zur Gendergerechtigkeit, zur Situation als Wissenschaftler*in, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf – gerade in der Wissenschaft, zur historischen Aufarbeitung, zur Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen, und darüber wie man Kinder für Wissenschaft begeistern kann. Gerade über diesen vielfältigen und intensiven Austausch im stetigen Publikumsverkehr freuen wir uns sehr, weil wir damit ein Hauptziel unseres Projektes erfüllen konnten, das zwar animiert aber nur schwer geplant werden kann. Dem Feedback der Gäste können wir entnehmen, dass sie sich öfters und mehr solche Veranstaltungen wünschen, das Sichtbarkeit von Frauen (nicht nur in der Wissenschaft) ein Thema ist, dass v.a. die Besucherinnen umtrieb und die Besucher zum Reflektieren inspirierte.

Ein zweites Highlights war der Samstags-Workshop. Am Sa.28.06. referierte Gesine Born vom Bilderinstitut Berlin zur Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen und inwiefern Künstliche Intelligenz (KI) dabei behilflich sein kann. Die Besucher*innen konnten eigene KI-Portrais nach ihren Wünschen erstellen. Auf den Punkt gebracht, ging es um “visuelle Irritation”.
Was heißt das? Für die Gegenwart wurden die Fragen aufgeworfen: Haben Sie schon einmal bemerkt, wie befremdlich es aussieht, wenn Wissenschaftlerinnen für Portraits genauso wie ihre männlichen Kollegen fotografiert werden? Was sagt das über unsere Vorstellung einer Wissenschaftlerin aus, wenn wir sie weiblich dargestellt sehen möchten? Für die Vergangenheit bedeutet es: “Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte” – aber was wird aus der Sichtbarkeit einer Frau, wenn dieses Bild nie gemacht wurde? Da viele Frauen früher in diesem Beruf um Anerkennung zu kämpfen hatten, machte sich niemand die Mühe, sie teuer und aufwändig auf Fotos festzuhalten. KI kann viel generieren – auch solche Fotos, die es nie gab. Aber wussten Sie, dass die KI dabei unsere gesellschaftlichen Fehler reproduziert und weder gendergerecht noch angemessen sozial ist?
Und hätten Sie gedacht, dass manchem hochrangigen Gelehrten erst am Ende solcher Fragen und “visuellen Irritationen” aufgefallen ist, dass man echte, historische Fotos z.B. von Nobelpreisträgerinnen der Forschungseinrichtung einfach vergessen hat, als man die AhnenGalerien ihrer männliche Kollegen im Haus erstellt hat? Es gab in jedem Fall viele Denkanstöße – für uns und das Publikum.

Übers Wochenende verteilt hatten wir auch vier Theaterszenen (eine davon zweisprachig deutsch/ englisch), die die historischen Figuren Marie Tharp, Ada Lovelace, und Marie Curie greifbar gemacht haben. Diese Frauen haben (wie alle im Museum vorgestellten) inspirierende, motivierende aber auch sehr herausfordernde Biografien. Denn es geht nicht nur um ihre umfangreichen wissenschaftlichen Aktivitäten oder die Epochen, die sie durchlebten, sondern auch um Schwierigkeiten, die in der jeweiligen Zeit nur Frauen betrafen. Deshalb spiegelten die Szenen jeweils nur einen kurzen “Augenblick” aus deren Leben. So besuchten die Zuschauer*innen Marie Tharp 1957 in ihrem Büro beim Zeichnen der Meeresbodenkarten oder diese Figur lief durch die Innenstadt – besuchte das “SeaLevel” und wurde vom dortigen 3D-Globus (der ihre Arbeiten als heutiges Allgemeinwissen präsentiert) verblüfft.
Ada Lovelace kam zum Austausch mit den modernen “Frauen der Informatik” von der Uni Kiel, und ist kaum überrascht, dass ihre damals als “dichterische Träumereien” abgetanen Prognosen heute Wirklichkeit sind. Und Marie Curie … war ein bisschen im Stress. Unsere Zeitreiseleitung hat sie in die Gegenwart geholt, damit sie zur Anwendbarkeit wissenschaftlicher Entdeckungen Stellung nehmen kann, als die Figur in ihrer Zeit gerade mit einem ihrer mobilen Röntgenwagen im Ersten Weltkrieg zur Versorgung von Schussverletzten unterwegs war. Trotzdem hat sie sich ein bisschen Zeit für uns genommen, bevor sie zurück musste 😉
Für die angeleiteten Kreativprozesse verfolgten wir je eine konkrete Frage. Ausgehend von den Theaterszenen zu Marie Tharp fragten wir z.B.: Wie ist es eigentlich, wenn man den Meeresboden aufzeichnen möchte, ohne diesen jemals unter der Wasseroberfläche sehen zu können? Ein steiniges Gebilde in einem verhüllten Aquarium, lud zum Ausprobieren und Nachmachen ein. Es wurde getastet, es wurde gezeichnet, wieder getastet, weiter gezeichnet. Der Sichtschutz wurde gelüftet, es konnte verglichen werden. Und das Publikum bewies eine sehr gute Hand-Auge-Vernetzung, auch wenn Altersunterschiede in den Details der Zeichner*innen erkennbar sind, entstanden schöne Werke und ist “das Wesen der Meeresbodenkartierung” sicherlich im Gedächtnis hängen geblieben. Die “Nonogramm”-ähnlichen Legemuster (um das binäre Zahlensystem zu verdeutlichen) haben wir nur einmal realisieren können und leider ist im Austausch nach der Theaterszene zu Marie Curie unser Gruppenspiel zur Veranschaulichung der Radioaktivität den sachlichen Fragen “zum Opfer gefallen”. Diese Spiele werden wir im späteren Projektverlauf sicher noch einmal aufgreifen.

Den Sonntag nutzen wir für stundenlange, kreative Ausdrücke mittels Druckverfahren. In Anlehnung an Anna Atkins (die sich im 19. Jahrhundert mit “Cyanotypien” beschäftigt hat, um das erste Buch von “Fotografien” der Meeresalgen und -pflanzen anzufertigen), bieten auch wir dieses Verfahren an, um Alltagsgegenstände festzuhalten. Um aber der Kreativität Raum zu geben, während das Sonnenlicht dieses besondere Cyano-Fotopapier bearbeitet, und generell dem Gedankenimpuls nachzugehen, wie man Beobachtungen festhält, erweitern wir diese Kreativwerkstatt um “Monotypie”. Das ist ein Druckverfahren, das nur Unikate ermöglicht, und mit dem die Besucher*innen in vielen Werken ihren Gedanken Ausdruck verliehen.
Last but not least, gab es eine allzeit offene Kreativstation (nicht nur, aber besonders) für Kinder. Es war uns wichtig, eine non-verbale Möglichkeit zu bieten, Impulse des Museum spielerisch zu verarbeiten und Gedanken zum Ausdruck zu bringen, auch und gerade wenn wir mit ihren Elternteilen noch in Gesprächen zu fachlichen oder gesellschaftsrelevanten Punkten waren. Auch der ursprünglich für die Schulklassen gedachte “Programm-Webrahmen”, in den nach eigenen Ideen mit Naturmaterialien “wenn-dann”, “for-next”, “if-else” und ähnliche Programmbefehle eingebaut werden konnten, stand den Kindern allzeit Verfügung. Auch wenn uns so mancher Gedankengang nicht erläutert wurde, schienen die kleinen Gäste dort gut zu tun zu haben.
Insgesamt war es für uns ein intensives, inspirierendes, und sehr interessantes Wochenende und dieses Lebendige Museum der Auftakt zum langfristigen Projekt „Frauen in den Naturwissenschaften – ein Austausch zwischen gestern, heute, morgen“. Es gab mehrere Anfragen und Anregungen, ob und wann so eine Veranstaltung wiederholt werden kann, mit denen wir nun in die weitere Planung gehen. Es gab auch sehr viele Anregungen, die wir nun in die übergeordnete Projektplanung einbauen, um den Publikumswünschen künftig noch gezielter gerecht zu werden oder Aspekte aufzugreifen, die noch nicht in dem Maße ausgefeilt präsentiert wurden. So setzen wir unsere Abenteuer-Reise zu Frauen in den Naturwissenschaften – von gestern, von heute, und von morgen – zunächst mit “Unserer Wissenschaftlerin des Monats” fort . Währenddessen laufen hinter den Kulissen die Vorbereitungen zu Wiederholungen dieses und vielleicht sogar zu weiteren Lebendigen Museen, damit wir bald wieder so eine „pop-up“ Veranstaltung durchführen und in Kiel auf Zeitreise gehen können.