Oder Draußen macht Schule zukunftsfähig- Transformation und Wandel durch Draußenlernen
Vom 24. bis 26.Oktober fand die 3. Internationale Tagung des bundesweiten Netzwerk Draußenlernen im Herder Kulturzentrum Pielenhofen/ Bayern statt. Organisiert wurde sie von der SDW Bayern.
Diese Tagung unterschied sich in den Inhalten und auch der Atmosphäre von den beiden anderen Tagungen mit den Titeln Draußen macht Schule vielfältig und Draußen macht Schule wetterfest dadurch, dass sich der Fokus von der Frage „Wie mache ICH …. draußen mit den Kindern und Jugendlichen ?“ hin zu der Ebene der Gemeinschaft verlagerte „Wie können WIR agieren, damit eine nachhaltige Zukunft Wirklichkeit wird?“
Und das in Zeiten, die uns zutiefst verunsichern, ängstigen und auch mutlos machen können. Sie unterschied sich auch dadurch, dass viel mehr Angebote Kultureller Bildung sich in den Workshops und im Rahmenprogramm fanden. Das ist Wasser auf NaturSpielpädagogischen Mühlen als Kulturelle Bildung für Nachhaltige Entwicklung. YEAH!
Ein Input kommt selten allein
Ulla Myllyniemy von SYKLI aus Helsinki /Finnland umrahmte die Tagung durch tägliche Impulse, die aufzeigten, wie man dem eigenen Pfad folgen und somit über den Prozess lebenslangen Lernens und Entwickelns einen starken Einfluss auf das Umfeld nehmen kann. Die Unsicherheiten und Irritationen auf dem Weg, der oft auch einen Umweg nimmt, sind Teil der Klärung der eigenen Mission. Was genau möchte ich wandeln in meinem Leben, in der Gesellschaft hin zu einer nachhaltigen Zukunft? Ulla transformierte ihren Weg von einer „Drinnenlehrerin“ zu der Leitung der BNE -Abteilung des Ausbildungsinstituts für Outdoorlearning in Helsinki. https://sykli.fi/en/ Übrigens ist sie ursprünglich Sonderschullehrerin, was mich besonders freut und meine langjährige Lieblingsthese, dass Sonderpädagogik eigentlich eine Basispädagogik sein muss, untermauert.
Stefan Rostock von germanwatch e.V. machte in der Keynote „Bildung in Zeiten wachsender Herausforderungen“ deutlich, dass wir dringend auf die Veränderungen auf strukturellen Ebenen einwirken müssen. Die Herausforderung nachhaltiger Handlungen darf nicht mehr nur auf die individuelle Ebene geschoben werden, in dem wir Kinder Müll sammeln lassen. Wir alle sind aufgerufen als Bürgerinnen und Bürger nicht länger zu warten, bis es irgendwann besser wird. Wir sind aufgerufen zu agieren und auf die strukturellen Ebenen einzuwirken, demokratisch zu agieren. Dieses kann wiederum bei jedem ICH starten. Ich kann meine Schülerinnen und Schüler fragen, wie sie sich ihre Zukunft und Gegenwart wünschen, ich kann rausgehen mit meiner Klasse, ich kann Klassenrat einführen, ich kann den Aufbau eines Schülerparlamentes in meiner Schule unterstützen, ich kann die Entsiegelung meines Schulhofes impulsieren und die Kommune und den Schulträger miteinbeziehen, ich kann mich bei teachers für future einsetzen oder im Netzwerk Draußenlernen (oder im Netzwerk NatuS ) und ich kann immer andere dabei unterstützen ihre Ideen zur Nachhaltigkeit umzusetzen. https://www.germanwatch.org/de
Timo Hohloff von Welt.Beziehung.Bilden erläuterte in seinem Vortrag „ Wir SIND das System“ die Komplexität kultureller und sozialer Vernetzungen der Klimakrise. Wie sind wir als Menschheit eigentlich an den Punkt gekommen, dass wir sehenden Auges unser Zuhause, diese blaue Murmel zerstören? Um einen Wandel zu erzeugen hilft „Radikale Zärtlichkeit“, ein Empfinden für natürliche Prozesse und Vernetzungen, Kreisläufe, unsere Erde als Heimat und ein Wissen um Auswirkungen komplexer soziologischer und sozialer Prozesse, hier seien einmal stellvertretend Abspaltung von Denken und Fühlen durch die Epoche der Aufklärung und die Auswirkungen der Kolonialisierung genannt. Seine Ausführungen waren viel umfassender und es braucht noch mehr Zeit und Kraft diese Infos zu verdauen, auch weil sie auf Zustände hinweisen, die bislang unlösbar scheinen und deren bloßes Gewahrsein schmerzt. Dieser Vortrag war für mich eine wesentliche Standortbestimmung, die den Perspektivwechsel von der Natur als Objekt zu einem tiefen Gefühl für mich selbst und alle Lebewesen auf dem Planeten als Natur hin lenkt. Mit dem Mut zum Welt-Schmerz und daraus zu handeln. https://www.welt-beziehung-bilden.org/
Sehr inspiriend und mutmachend war ein Interview mit der Generalsekretärin der CSU Tanja Schorer-Dremel. Sie war Lehrerin, Schulleiterin, Schulrätin und ist dann in die Politik gewechselt, um auf die strukturellen Ebene Einfluss nehmen zu können. Sie ist im Vorstand der SDW Bayern und unterstützt die Idee des Draußenlernens mit ganzem Herzen. „Geht raus!, nutzt die Freiräume der Lehrpläne, sucht Verbündete in den Schulen und: Macht es einfach!“.
Daniel Jeseneg, Schulleiter aus der Schweiz zeigte uns in seinem Impuls wie eine Schule ihren Weg zur Draußenschule fand und dabei das ganze Dorf mit in den Prozess einverleibte. Ein wunderbarer Mutmacher, der alle vorangehenden Impulse so wunderbar vereinte und ein berührendes Beispiel für „Einfach machen, Grenzen ausloten, Verbündete finden, auf Kinder und Eltern hören im respektvollen Dialog, und vor allem dafür dem Prozess Zeit zu geben und Herausforderungen auszuhalten“. Daniel erzählte, dass es DREI JAHRE dauerte bis die Umsetzungen so richtig in Schule und Dorf angekommen seien, nun aber unstoppable sind. Er ist gar nicht mehr vor Ort, die Idee lebt weiter. Großartig. https://www.danieljeseneg.com/
Am ersten Abend erfreute mein NaturSpielpädagogisches Herz eine Gruppe von vier Akteuren von actinGreen aus Wien mit dem Impuls „Stop talking, start acting“. Eine Stunde Schauspielbasistraining vom Feinsten mit den Methoden von Augusto Boal, dem brasilianischen Begründer des Theater der Unterdrückten. Ich fühlte mich wie in einer Zeitmaschine, denn diese Methode hat ja Ute und mich während unseres Studiums Spiel- und Theaterpädagogik vor 30 Jahren an der FH Kiel von Anfang an fasziniert, da sie im Innen körper- und emotionsorientiert beginnt und im Außen durch Resonanz demokratische Prozesse irritieren und initieren kann. NaturSpielpädagog/-innen können dazu ihr Metamorphosenheft wieder hervorholen.
Es gelang actingGreen trotz ernsten Themas Transformation mit Leichtigkeit 80 Menschen, die sich zum Teil zum ersten Mal begegneten, in intensiven Kontakt zu bringen und nachhaltige Visionen als gemeinsame Statuen zu präsentieren. Empowerment, Gänsehaut, Lachen und Gemeinschaftserleben ohne viele Worte. https://www.actingreen.at/
Durchkneten - gemeinsam Transformation erleben
Das ist es, warum ich die Spiel- und Theaterpädagogik so liebe und als wesentliches Tool für einen wirklichen Wandel ansehe. Dieses „Durchkneten“ auf körperlicher und seelischer Ebene mit Bewusstheit schafft Veränderung. Wieder ein Hinweis auf die Wichtigkeit der Umsetzung von NaturSpielpädagogik in dieser Zeit. Teresa vom Vorstand Netzwerk NatuS hat sich lange mit Johannes von actingGreen unterhalten und Johannes hat mich dann auf die NaturSpielpädagogik angesprochen. Wir bleiben in Kontakt und im Gespräch und sind sehr an gemeinsamen Austausch interessiert.
Neben zwei intensiven Workshoprunden am Freitag und Samstag gab es auch einen Block mit einer Transformationswerkstatt. Für NaturSpielpädagog/-innen wäre es trainierte Komfortzone gewesen. Hier wurde Raum gegeben mit Methoden der Gestaltpädagogik die bisher gehörten Impulse für sich selbst kreativ und aktiv zu verarbeiten. Die Idee war es eine Vision von der In-FORM-ation zur eigenen Trans-FORM-ation zu erarbeiten. Dazu gab es im Sinne der Methode Think-Pair-Share zunächst die Aufgabe über die eigene Mission nachzudenken und diese auf den Punkt zu bringen. Dieser Punkt wurde nun durch eine Collage visualisiert. Hierzu erhielten die Teilnehmenden einen weißen Pappteller und ausreichend Materialien zur Gestaltung. Im zweiten Schritt erhielten sie eine Karte um über ihre Superpower zur Realisierung ihrer Mission nachzudenken und auch das aufzuschreiben, was Ihnen dazu noch fehlt. Nun gingen alle Teilnehmenden mit ihren „Ich biete/ ich suche“-Karten durcheinander und fanden sich als Dreier-Teams im Austausch zusammen. Nach anfänglichem Zögern war ein wunderbares kreatives Chaos sichtbar. Ich konnte in den Dreiergruppen intensiven Austausch wahrnehmen und die Ergebnisse der Collagen zeigen die individuelle Kreativität, die in jedem Menschen wohnt. Es war andererseits auch zu beobachten, wie herausfordernd es für einige Teilnehmende war, die eigene Superpower und eine eigene Mission beschreiben. Es gab auch Irritationen und brauchte Mut, vielleicht einfach mal anders zu beginnen und mit den Händen in der Gestaltung loszulegen, um hinterher zu sehen, was das innere Bild zeigt. Ich hatte das Gefühl, dass viele Glaubenssätze mit den dazugehörigen Emotionen Unsicherheit, Scham, Vergleichbarkeit aus der eigenen Schulzeit im Raum anwesend waren im Sinne von „Was soll ich machen? Das kann ich nicht!“ Da half das „Wir atmen jetzt alle einmal durch um aus dem Kopf in die Hände zu kommen!“ Es hätte meiner Ansicht nach mehr Zeit gebraucht, um die Teilnehmenden noch passender abzuholen und Ihnen den sicheren Raum zu bieten für diese Erfahrung. Sprich: wie in unseren Seminaren der NaturSpielpädagogik. By the way: Ich war die Anleiterin dieser Werkstatt. Eine gute Erfahrung den Unterschied wahrzunehmen, wie es ist in großen Gruppen, die einmalig so zusammenarbeiten und in kleineren Gruppen, die immer wieder mit diesen Methoden einen kreativen Raum schaffen.
Neu waren auch die FREIräume, die in den Tag eingeplant waren. Dies waren Zeiten, an denen keine regulären Angebote stattfanden. Es gab Optionen wie z.B. eine Kräuterwanderung oder Sitzplatz, eine TN organisierte spontan eine Kanutour auf der Naab. Es war die Zeit für das innere Feuer zum Verdauen all dieser Informationen und Aktivitäten. An den Abenden durfte natürlich „die älteste Bildungseinrichtung der Welt“ nicht fehlen: das Lagerfeuer, diesmal auf der Naabinsel umgeben vom Rauschen des Flusses. Gesang und Gespräche vertieften die Gemeinschaft.
Zum Abschluss der Tagung gab es ein Walk&Talk zu zweit mit den Erfahrungen der Tagung und eine berührende Dankbarkeitsrunde mit Redestab im Kreis. Die TN verließen die Tagung mit einer „Tüte Mut aus dem Kiosk des Lebens“. Ich bin mir sicher, diese Tagung hat einen Unterschied gemacht. Ich bin Dr. Johanna Pareigis und Clara Baumgartner vom Team Draußenlernen sehr dankbar für diese unfassbar tolle Auswahl an Referierenden, ihr Zutrauen mir die Moderation in die Hände zu legen und den Teilnehmenden für die vielen Gespräche und Impulse. Also los: Einfach machen!
Text und Fotos: Sylva Jürgensen